Vor kurzem las ich im Internet über die Ausstellung "schlafende Automobilschönheiten" in Kassel. Es handelt sich hier um Exponate des berühmten Cite de l´Automobile - besser bekannt als Collection Schlumf, das größte Automobilmuseum der Welt in Mulhouse (Mülhausen, Frankreich). Die Fahrzeuge stammen aus dem nicht öffentlichen Teil des Museums und sind nicht restauriert! Wer glänzenden Lack und Chrom erwartet, wird hier größtenteils enttäuscht.
Darüber hinaus sind zehn historische Motorräder aus dem PS.Speicher ausgestellt. Das ist ein neuer Ausstellungs- und Erlebnispark, der ab 2014 in Einbeck (zwischen Kassel und Hannover) eröffnet werden soll. Die Ausstellungen dort zeigen Mobilität von der Kutsche über Fahrräder bis zu motorisierten zwei-, drei- und vierrädrigen Fahrzeugen.
Ich war neugierig geworden und wollte einen Besuch abstatten, verbunden mit dem deutschen Traktor- und Modellbaumuseum in Paderborn, nur 100 km weiter. Am Samstag, dem 15. Juni war ich mit meiner Frau vor Ort, bei der ich mich für ihre Geduld auf der gesamten Tour über drei Tage bedanken muss.
Das Umfeld der Ausstellung im Unternehmenspark Kassel, einem alten Industriegelände ist zumindest Samstags sehr ruhig, auf den Parkplätzen ist nichts los. Die genutzte Industriehalle passt gut zu den nicht restaurierten Fahrzeugen, jeder Glanz und Glimmer fehlt. Es wirkt, als wenn hier gleich mit einer Restauration begonnen würde.
Die Halle strahlt beim Betreten eine merkwürdige Stimmung aus. Soll man traurig sein über den teilweise sehr desolaten Zustand der Fahrzeuge? Soll man sich freuen, das so viele seltene und erhaltenswerte Zeitzeugen vor der Schrottpresse gerettet wurden? In den sechziger Jahren, als diese Exponate von den Brüdern Schlumpf erworben wurden, hatte die Wegwerfmentalität noch einen anderen Stellenwert.
Auch die Frage nach der Zukunft der Sammlung wird gestellt. Sind es Kunstobjekte oder ist es automobiles Kulturgut? Soll es restauriert werden? Wenn ja wie, besser als neu oder mit Erhalt der Patina? Auch die weitere Möglichkeit, alles als "Kunst" verfallen zu lassen, steht im Raum.
Ich persönlich habe dazu eine eindeutige Meinung. "Kunst" kommt von "Können", ein altes Auto in den Garten schieben und dort vergammeln lassen kann jeder Nichtkönner, das ist keine Kunst. Darüber hinaus handelt es sich um Fahrzeuge, keine "Stehzeuge". Restaurieren besser als neu war lange in Mode, aber Patina kann man nicht kaufen. Also sollte der beste Weg gewählt werden, eine fahrfertige Restauration mit Erhalt der positiven Patina, aber ohne Rost und Dreck.
Auf jeden Fall hat mich die Ausstellung in ihren Bann gezogen. Stundenlang habe ich fotografiert, je länger ich da war, um so mehr Einzelheiten konnte ich entdecken. Etliche Hersteller waren mir gänzlich unbekannt, noch weniger kannte ich deren Fahrzeuge. Wer außer absoluten Insidern kennt schon Ballot, Clement-Bayard, Charron, Hurtu, Lorraine Dietrich, Minerva, Lacroix, Th. Schneider oder Rochet-Schneider? Aber auch bekannte Namen wie Alfa Romeo, Bugatti, Daimler, De Dion, Delahaye, Fiat, Hotchkiss, Maybach, Peugeot, Rolls Royce und andere waren zu finden.
Die Fahrzeuge befinden sich in jedem denkbaren Zustand. Vom "Rolling Chassis", Fahrgestelle mit Rädern und hier auch Motor über Ruinen im Zustand "Scheunenfund" bis hin zu zumindest optisch fast fertigen Autos waren vorhanden. Selbst ein oder zwei restaurierte PKW sind zu finden. Dabei geht es von der motorisierten Kutsche von 1898 (Peugeot Typ 16) über alle Jahrzehnte bis zu den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Von Luxuslimousinen über Pickups und Sportwagen bis hin zu reinrassigen Rennwagen. Eine bunte Mischung, bei der jeder sein persönliches Lieblingsgefährt finden kann.
Bei den Motorrädern ist schon wegen der geringen Anzahl von zehn Stück die Auswahl kleiner, aber es geht auch hier vom Roller Victoria Peggy querbeet durch viele Marken und Jahrgänge bis zur fast schon modernen Horex Rebell 80. Interessant auch die Gegenüberstellung eines unrestaurierten und eines restaurierten Neracar, dieses "fast ein Auto" Zweirad. Wenn es im PS.Speicher nach der Eröffnung in 2014 so weitergeht, ist ein Besuch sicher sehr interessant.
Nachdem ich viele Stunden geschaut, gestaunt und fotografiert hatte, musste ich äußerst ungern die Heimreise antreten. Jedem der sich für Oldtimer nicht nur als Wertanlage interessiert, kann ich einen Besuch dieser Ausstellung nur empfehlen. Bis zum 31.07.2013 ist sie geöffnet, also ist noch Gelegenheit dazu.
Veranstalter: J. u. K. automobiles Kulturgut Nordhessen GbR Termin: 01.05. bis 31.07.2013 Ort: Kassel, Unternehmenspark Lilienthalstraße 25
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